Im 19ten Jahrhundert hat Deutschland die Industrialisierung in vielen industriellen Branchen visionär gestaltet. Im 20ten Jahrhundert haben wir uns durch innovative und hochwertige Produkte –Stichwort „made in Germany“–zu einer der führenden und größten Industrienationen entwickelt. Im 21ten Jahrhundert entstehen Innovationen meist ohne Deutschland: Wir liegen bei der Digitalisierung, der wichtigsten Technologie der Gegenwart, zurück. Heute sind es vielmehr Unternehmen aus dem Ausland wie den USA mit dem Silicon Valley, Japan oder China, die disruptive Technologien wie das selbstfahrende Auto oder humanoide Roboter vorantreiben. Und auch die Weiterentwicklung des Zukunftsthemas Künstlicher Intelligenz (KI) geschieht weitestgehend im Ausland, so wie sich nun China vorgenommen hat, KI bis zum Jahr 2025 zu dominieren.
Wer zu spät kommt...!
Die geringen digitalen Kenntnisse von Mitarbeitern entwickeln sich immer mehr zum Problem für die deutsche Wirtschaft. Es fehlt an der nötigen digitalen Ausbildung. Laut einer Bitkom-Studie vom November 2016 bietet der deutsche Arbeitsmarkt rund 51.000 unbesetzte Stellen für IT-Spezialisten, davon mehr als zwei Drittel bei Anwenderfirmen. Themengebiete, in denen Konzepte für die Zukunft geschrieben werden, wie Cybersecurity, KI oder Robotik, finden kaum noch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den benötigten Qualifikationen. Das ist wohl einer der Gründe, warum Deutschland in dem von der Schweizer Wirtschaftshochschule IMD erstmals erstellten Ranking zur digitalen Wettbewerbsstärke lediglich auf Rang 17 zu finden ist – und das als Europas größte Volkswirtschaft!
Wir brauchen so früh als möglich eine digitale Allgemeinbildung und zum anderen muss das lebenslange Lernen gestärkt werden, um Plätze gut zu machen. Die Bundesregierung hat die Entwicklung wohl erkannt und erste Schritte in die richtige Richtung eingeschlagen. Mit dem DigitalpaktD will die Bundesregierung fünf Milliarden in die notwendige Infrastruktur investieren, um digitale Bildung an Schulen zu ermöglichen. Oder der calliope mini macht Schüler neugierig und weckt ihr Kreativität, so dass sie spielerisch lernen, wie IT funktioniert – und Spaß daran entwickeln.
Neue Bildung braucht das Land !!
So weit – so gut. Es reicht aber noch nicht aus – es muss ein Ruck durch unser föderales Bildungssystem gehen! Es gilt, die gesamte Ausbildung, sei es an einer Hochschule oder in der betrieblichen Ausbildung, zu hinterfragen, ob zukünftige Anforderungen abgedeckt werden oder ob wir am Bedarf des Marktes „vorbeiqualifizieren“. Als Volkswirtschaft werden wir nur erfolgreich sein, wenn wir uns in der heutigen = digitalen Welt behaupten.
Und die hat sich grundlegend geändert, wenn wir uns alleine das Datenaufkommen heute anschauen. Wir generieren alle zwei Tage so viele Daten, wie die Menschheit bis 2003 zusammengetragen hatte. In dieser Welt bewegen sich die Unternehmen von heute und brauchen Fachleute wie zum Beispiel Data Scientists, die diese Masse an Daten sinnvoll nutzen können. Eine Studie von McKinsey hat ergeben, dass es in den kommenden Jahren einen Bedarf von über 200.000 Data Scientists allen in den USA geben wird.
Ohne Zweifel hat die Digitalisierung Berufsbilder grundlegend verändert. Und das betrifft uns alle – unabhängig davon, ob wenig oder hochqualifiziert, unabhängig ob Arbeiter oder Büroangestellter, unabhängig ob „Blue Collar“- oder „White Collar“-Job – heute sind neue Kompetenzen im Umgang mit Daten gefragt. So gewinnt in der Einzelhandelsausbildung das Thema E-Commerce zunehmend an Bedeutung, um die Wünsche der Kunden zu kennen und das Angebot entsprechend maßzuschneidern, so wie es North Face mit Hilfe der IBM Watson Technologie tut. Oder ein Bankberater: Alleine Reuters veröffentlicht täglich rund 9.000 Seiten Finanznachrichten und die Analysten der Wall Street bringen jede Minute fünf neue Finanzmarktberichte heraus. Ohne IT-Unterstützung und einen digitalen Helfer wie Watson ist das nicht zu bewältigen: Er analysiert diese Daten und gibt Empfehlungen, die auf die jeweilige Kundensituation angepasst sind.
Auch der sichere Umgang mit Cloud-Technologien will gelehrt und gelernt sein: So nutzt der Landesbetrieb Daten und Information (LDI) in Rheinland-Pfalz eine cloudbasierte IBM Speicherlösung, um die wachsende Informationsflut von unstrukturierten Daten wie Texten, Bildern oder Videoaufnahmen flexibel zu bewältigen. Und ein neuer Bürger-Service in Hamburg hilft Bestohlenen, ihre Fahrräder mit Hilfe einer cloudbasierten Lösung zu finden.
Die heute so dringend benötigte digitale Kompetenz kann nur zum Teil durch traditionelle Ausbildungsmuster erlangt werden: Gezielte Qualifizierungen in Fächern wie Cybersecurity, Data Science, Cloud oder im Bereich kognitiver Systeme und KI sind heute gefordert und das wiederum verlangt ein komplettes Umdenken im Bildungsbereich und ein Generalüberholen der Curriculae. So hat IBM 2011 mit der Stadt New York P-Tech - the Pathways for Technology Early College High School - gestartet, eine High School, in der Schülerinnen und Schüler ihren Schwerpunkt auf die MINT-Fächer legen und sich so für ihre digitale Zukunft qualifizieren.
Die Uhr tickt
Zudem wird die Halbwertzeit von Erlerntem immer kürzer, was vor allem auch für IT-Wissen gilt: Wir leben in einer digitalen Wissensgesellschaft, in der es ein „fertiggelernt“ nicht mehr gibt. Tätigkeiten werden durch die Vernetzung von Informationstechnologien, Automatisierungstechniken und Software in technologischer und organisatorischer Hinsicht immer anspruchsvoller und komplexer. Die Anpassung an dieses sich stetig verändernde Umfeld setzt jedoch voraus, dass sich der Einzelne entsprechend entwickelt. Das sehe ich auch an mir, an meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: Wir haben Programme wie THINK 40 oder die THINK ACADEMY, die zur kontinuierlichen Weiterbildung dienen –und auch bestens genutzt werden.
Eines ist klar: Auch im 21. Jahrhundert muss und soll nicht jeder ungeachtet seiner Talente Programmierer oder Entwickler werden. Aber Computational Thinking, also informatisches Denken und digitales Verständnis, ist zukünftig unerlässlich für jeden Beruf und jede Branche – und auch für unser Privatleben, denken wir nur an das Thema Privatsphäre.
Wie schon Bundesminister Gabriel zum Nationalen IT-Gipfel 2016 feststellte: „Bildung ist der Schlüssel zur Teilhabe an einer digitalen Welt: im Beruf, als Verbraucherin oder Verbraucher, als Bürgerin oder Bürger. Dabei reicht es nicht aus, kluge Konzepte lediglich zu diskutieren – vielmehr müssen wir jetzt handeln, um die digitale Bildung in Deutschland voranzubringen.“
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